28.8.2012, Gastkommentar im „Standard Online“ – Der Anti-Korruptions-Untersuchungsausschuss befindet sich nun in seiner Sommerpause. Bedenkt man die fast täglich bekanntwerdenden Korruptionsfälle in der heimischen Politik, sind Neuauflagen nicht ausgeschlossen. Aufgrund meiner Erfahrungen bei den laufenden U-Ausschüssen seien ein paar Vorschläge erlaubt, die dieses wichtige Kontrollinstrument des Parlaments in seiner Qualität verbessern könnten.
Zwischen Polemik und Seriosität
Es ist sicherlich festzuhalten, dass es sich bereits jetzt um einen sehr erfolgreichen Ausschuss handelt. Moralisch und rechtlich fragwürdige, dafür gängige Praktiken rund um das Thema Parteienfinanzierung wurden deutlich, Indizienketten dichter, eine dringend notwendige Reform des Parteifinanzierungsgesetzes ist die Folge. Das steht zweifelsfrei auf der Habenseite und ist dem Einsatz und der Kompetenz einzelner Abgeordneter zu verdanken.
Dennoch gibt es Problemfelder, die die vorläufige Bilanz trüben und nach Verbesserung schreien. Nun ist ein Untersuchungsausschuss ein parlamentarisches Instrument zur Klärung politischer Verantwortlichkeiten und Vorgänge. In seiner Konstruktion ist er jedoch ein Hybrid aus Politik und Justiz, da einerseits der Ablauf und die Rechte und Pflichten der Abgeordneten und geladenen Auskunftspersonen den Grundsätzen der Strafprozessordnung unterliegen, es andererseits jedoch keine entsprechende Verfahrensordnung zur Gewährleistung eines einem Gerichtsprozess ähnlichen Ablaufs und der entsprechenden Sicherung der Rechte der Auskunftspersonen gibt.
Das bedeutet konkret, dass man als Auskunftsperson zwar Polemiken und Untergriffen seitens der Fragesteller größtenteils ausgeliefert ist, in den Antworten jedoch zu größter Korrektheit verpflichtet ist, da Falschaussagen dieselben harten Konsequenzen nach sich ziehen können wie in einem Strafprozess. Daraus erwächst ein Ungleichgewicht, das einer seriösen Behandlung eines Sachverhalts abträglich ist.
Bühne für Selbstdarstellung?
Der Alltag im U-Ausschuss zeigt es deutlich: Vielfach werden Akten und Thesen einzig aus dem Zweck der Selbstdarstellung vorgetragen, die wenig zur Sache tun. Manche Befragungen dienen ausschließlich parteipolitischen Hickhacks, mediengerechte Polemiken werden zur Befriedigung journalistischer Neugierde abgelassen, komplizierte, unklare Fragemonster auf Basis schlechter Aktenkenntnis werden in den Raum geworfen.
Weder der Verfahrensanwalt, der eigentlich für die Wahrung der Rechte der Auskunftspersonen zuständig ist, noch die Vorsitzende haben derzeit die Kompetenz, hier einzugreifen, wie das ganz selbstverständlich in einem Gerichtsverfahren durch einen Richter passieren würde. Es sollte also angedacht werden, den Vorsitz oder die Funktion des Verfahrensanwalts so zu gestalten, dass durchschlagskräftiger gegen immer wieder stattfindende Abschweifungen, Untergriffe oder Themenverfehlungen vorgegangen werden kann. Man darf nicht vergessen, dass die Abgeordneten durch die parlamentarische Immunität geschützt agieren können, die Auskunftspersonen hingegen durch erhobene Vorwürfe oftmals Schaden in ihrer Reputation in Kauf nehmen müssen.
Fehlen politischer Kultur
Denn auch wenn es formal nur Auskunftspersonen gibt, werden nahezu alle Geladenen tendenziell wie Beschuldigte behandelt. Da kommt es mitunter zu erheblichen Kollateralschäden mit weitreichenden negativen wirtschaftlichen Konsequenzen für die Betroffenen. Dieses Problem wird auch bei der Ladungspolitik selber deutlich. In der Regel sind die Beschlüsse der Ladungslisten Ergebnis politischen Tauschhandels und nicht dem objektiven Ansinnen nach Aufklärung folgend. Auch wenn der politische Basar in der Gesetzgebung Alltag ist, sollte bei so wichtigen Fragen von Vorladungen dringend davon Abstand genommen werden.
Damit zusammenhängend muss man auf die oftmals leider fehlende politische Kultur mancher Abgeordneter hinweisen. Viel zu oft wird der U-Ausschuss als politische Bühne zur Selbstdarstellung missbraucht, viel zu oft hält man sich mit kleinlichen Streitereien um Befindlichkeiten zwischen den Politikern auf. Es wird während der Befragung getratscht, herumgeblödelt, man geht auf die Toilette, zur Rauchpause etc. Alles nicht ständig und von allen, aber viel zu oft, von zu vielen Abgeordneten.
All das ist keinesfalls als grundsätzliche Kritik am Untersuchungsausschuss an sich zu verstehen, sondern als Stellschrauben, die dringend nachgestellt werden sollten, um die Arbeit im Ausschuss zu verbessern und das Ansehen dieser wichtigen demokratischen Einrichtung zu schützen. Denn die Unangreifbarkeit und Seriosität der Ausschuss-Arbeit ist ein wesentlicher Faktor für seine Akzeptanz in der Öffentlichkeit und auch nicht zuletzt für die Frage entscheidend, aus der Einsetzung eines U-Ausschusses ein Minderheitenrecht zu machen.
Mein Kommenter ist erstmals am 28. August 2012 auf derStandard.at erschienen.