1.10.2012, Kommentar der anderen im „Standard“ – In einem Artikel vom 24. September („Korruptionsstaatsanwälte ermitteln gegen hohe Justizbeamte“, Renate Graber) berichtet der Standard über Ermittlungen gegen ranghohe Justizbeamte und ehemalige Kabinettsmitarbeiter wegen Amtsmissbrauch und Bruch des Amtsgeheimnisses. Die ehemaligen Minister-Sekretäre seien nun als Unternehmensberater im Bereich „Litigation PR“ tätig, also „sie vermarkten ihre Kontakte“ in die Justiz, so der Beitrag. Dem liegt offensichtlich ein grobes Missverständnis über das Wesen und Praxis von Litigation PR zu Grunde, denn die beschriebenen „Leistungen“, also das vergolden gut gefüllter Adressbücher, ist mit Nichten die Tätigkeit, mit der sich seriöse Berater auf völlig korrekte Art und Weise ihr Geld verdienen.
Litigation PR ist eine Spezialisierung innerhalb der unterschiedlichen Kommunikationsdisziplinen, die die strategische Beratung und operative Umsetzung von Medienarbeit rund um juristische Auseinandersetzungen zum Inhalt hat. Mit diskreten Treffen in schicken Bars, zwecks Austauschs von geheimen Informationen durch Bruch des Amtsgeheimnisses oder Anstiftung zum Amtsmissbrauch hat das herzlich wenig zu tun. Zentrale Aufgaben sind vielmehr der Schutz der Reputation von Betroffenen und der Versuch einer Sicherstellung von korrekter und ausgewogener Berichterstattung. Nicht mehr und nicht weniger.
Das Auftreten von Litigation PR-Profis ist das Ergebnis der vernetzten Mediengesellschaft von heute, die eine ungemein breite Einbindung der Öffentlichkeit in juristische Auseinandersetzungen hervorgebracht hat. Faksimilierte, nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Unterlagen in Wochenmagazinen gehören hier ebenso dazu, wie Live-Berichterstattung aus Gerichtsverhandlungen (wie das auch sehr ausführlich vom Standard gemacht wird) oder Ankündigungen von Hausdurchsuchungen an Journalisten. Vorbei sind die Zeiten, als es nur vereinzelte Enthüllungsjournalisten und Gerichtsreporter gab, die die Öffentlichkeit gefiltert mit Informationen versorgten. Heute ist es wesentlich einfacher, Informationen mit der Öffentlichkeit zu teilen, womit jeder publizistisch Tätige zu einem Meinungsbildner pro oder contra eines Mandanten werden kann. Längst hat sich die Öffentlichkeit somit zu einem zweiten „Gerichtshof” entwickelt, in dem Auseinandersetzungen geführt werden müssen, um einen „Freispruch” auch in der öffentlichen Meinung zu erhalten.
Litigation PR nennt sich die professionelle Kommunikationsdienstleistung, die an der Schnittstelle zwischen Betroffenen, Rechtsanwälten und Medien in eine Übersetzer- und Vermittlerrolle schlüpft, um die Interessen der Mandanten wirkungsvoll zu vertreten. Dies ist notwendig, da die oftmals typische Antwort „kein Kommentar”, oder sehr ausführlich vorgetragene Elaborate von Rechtsanwälten in den meisten Fällen gegenteilige Folgen für die Betroffenen mit sich bringen: Den ersten Schritt zur medialen Vorverurteilung, zur kommunizierten Schuld, zur Verdrehung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Unschuldsvermutung zur journalistischen Schuldvermutung.
Mein Kommentar ist erstmals am 1. Oktober 2012 in der Tageszeitung Der Standard erschienen.